Souad Sellami

Projektleiterin SimplyScience, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wissenschaftsförderung (SPS) EPFL

Interview

„In der Informatik muss man immer dranbleiben, es entwickelt sich alles sehr schnell. Man sollte stets neugierig sein und sich nicht entmutigen lassen.“

Wie bist du zur Informatik gekommen?
Mein Weg zur Informatik war indirekt. Ich habe vor gut 40 Jahren an der EPFL Physik studiert. Nach meinem Studium habe ich angefangen am Departement für Erdwissenschaften in Genf zu arbeiten, und zwar als Informatikerin. Damals kam der erste PC auf und eine meiner Aufgaben war, ein Programm für ein Messinstrument zu schreiben. Das bis zu dem Zeitpunkt vorhandene System arbeitete mit Lochstreifen* als Datenträger, das Programm lag also in Form von in Papier gestanzten Löchern vor, das wir nicht lesen konnten, und man musste es neu schreiben. Das war auf Pascal, einer an der ETHZ entwickelten Programmiersprache. Zusätzlich war ich für das Institut im Informatik-Support tätig. Es waren die Anfänge der E-Mail-Kommunikation an der Universität und es gab oft Anfragen von Anwendern. Der Job hat mir grossen Spass gemacht, ich genoss den Kontakt mit anderen Menschen, die Beratung von Anwendern, die Suche nach Problemlösungen etc. Letztendlich zog ich es aber vor, mich auf Geophysik zu spezialisieren, wo die Informatik (Programmierung) ohnehin allgegenwärtig war. Somit konnte ich beide Gebiete, die mich interessierten, kombinieren.

*Ein Lochstreifen ist, wie der Name schon sagt, ein Streifen, der aus Papier, Kunststoff oder einem Metall-Kunststoff-Laminat bestehen kann, und dient als Datenträger. Die Information wird in Form von Löchern eingestanzt. Ein Lochstreifen ist also im Prinzip eine Lochkarte mit anpassbarer Länge. Diese Lochkarten wurden dann mit einem speziellen Prüfgerät geprüft und die Lochkarten in einen speziellen Kasten eingesetzt. Damit ist man dann zu seinem Computer marschiert. Dort durfte man dann die Lochkarten bei der Zentraleinheit in einen Schacht einlegen. Die Lochkarten wurden eingelesen und danach konnte der eigentliche Programmstart erfolgen (Anmerkung der Redaktion)

Drei Worte zu Informatik?
Ein Tool, Ein Muss, Die Zukunft

Was empfindest du als besondere Herausforderung in der Informatik?
In der Informatik muss man immer dranbleiben, es entwickelt sich alles sehr schnell. Man sollte stets neugierig sein und sich nicht entmutigen lassen. Das Gute ist, dass man bei einem Problem sehr oft Lösungen und Hilfe direkt im Netz findet, die Informatik-Community ist sehr aktiv und tauscht sich, zum Beispiel über Internet-Foren, rege aus.

Wieso sind Frauen in der Informatik immer noch selten – was denkst du?
Ich denke, es ist wie in anderen Technik- oder MINT-Berufen. Mädchen empfinden Informatik als ein Gebiet, das vor allem Buben vorbehalten ist. Die Gesellschaft spielt dabei eine grosse Rolle. Noch vor ca. 4–5 Jahren habe ich mitbekommen, wie die Berufsberatung einem Mädchen, das sich für Informatik interessierte, nahelegte, lieber eine Ausbildung in der Pflege zu erwägen. Oft wissen Frauen auch nicht, wie vielfältig die Informatik ist oder was überhaupt dahintersteckt. Deshalb sind Initiativen wie das IT Feuer oder der Coding Club for Girls, die gezielt Mädchen die Möglichkeiten dieses Berufs aufzeigen, so wichtig.

Wie hat sich die Informatik in den letzten Jahren verändert?
Vielleicht fasst es diese Anekdote zusammen: Ein Kollege hat mir in seiner Dissertation mit folgenden Worten gedankt: „Thank you […] for the mystery of managing a poster to be re-designed in Zurich, printed in Lausanne, and exhibited in Hamburg (all within a day, of course).“ Das war an der ETH im Jahre 1996. Heute fragt man sich, was daran mysteriös sein soll! Als ich an der EPFL studierte, gab es noch keinen Studiengang Informatik. Heute gibt es an Universitäten, den beiden ETHs und Fachhochschulen mehrere Studiengänge mit Bezug zur Informatik. Informatik ist komplexer und interdisziplinär geworden. Früher begrenzte sie sich auf wenige spezialisierte Bereiche, heute ist Informatik bzw. ihre Anwendungen in irgendeiner Form überall im Alltag präsent und die meisten Menschen haben Kontakt zu ihr, sei es beim Gamen, beim Navigieren oder beim E-Banking. Menschen, die mit Computer und Internet nicht umgehen können und die kein Grundverständnis für Informatik oder ihre Anwendungen haben, sogenannte digitale Analphabeten, sind im Nachteil, besonders in unseren Breiten.

← Zurück