Jasmin Vu

Software Engineer, Google

Interview

„Viele Leute denken, dass man ein Genie sein muss, um Informatik zu studieren. Das ist natürlich nicht wahr!“

Wieso hast du dich für die Informatik entschieden?
Nach meinem Abitur wollte ich eigentlich zuerst Mathematik studieren, da ich immer gut darin war. Ich wusste jedoch gar nicht so richtig, was man mit Mathematik alles so machen konnte. Die Antworten im Internet und von StudienberaterInnen überzeugten mich damals kaum, mir schien, dass Mathematik zu theoretisch war und keine interessante Anwendung fand.* Und so studierte ich das zweitbeste auf meiner Liste: Informatik. Erst während meines ersten Werkstudentenjobs als Softwareingenieurin lernte ich, die Informatik so richtig zu lieben: Ich konnte meine Stärke im logischen Denken ausnutzen, um real existierende Probleme zu lösen. Auch heute noch ist es dieser Aspekt, den ich so sehr an meinem Job liebe. Bei Google Schweiz
arbeite ich an YouTube Analytics, einem Daten-Analysetool, das YouTube Creator dabei hilft, wichtige Entscheidungen für ihren Kanal zu treffen. Ich liebe es YouTuber unterstützen zu können, indem wir unser Tool weiter ausbauen und verbessern.
* In der Zwischenzeit habe ich gelernt, dass Mathematik nicht nur in der Finanzwelt eingesetzt wird, und vielseitig angewendet werden kann.

Was empfindest du als besondere Herausforderung in der Informatik?
In der Informatik (vor allem in der Softwareentwicklung) reicht es normalerweise nicht, einfach ein Produkt zu entwickeln, das nutzbar und schön ausschaut. Software muss zudem viele andere
Anforderungen erfüllen, die nicht immer gleichzeitig umsetzbar sind. Wir wollen den Usern so viele Informationen wie möglich geben, aber wir müssen die Privatsphäre respektieren und böswillige Sicherheitsangriffe auf persönliche Daten verhindern. Eine Software sollte schnell laden, aber auch dort verfügbar sein, wo das Internet ungenügend ist. Die Herausforderung besteht darin, diese
verschiedenen Anforderungen gegeneinander abzuwägen, um ein Programm zu entwickeln, das allen NutzerInnen möglichst viele Vorteile bringt, und hoffentlich überhaupt keine Nachteile.

Wie hat dein Umfeld auf dein Interesse an Informatik reagiert?
Überrascht, besorgt, beeindruckt, oder eine Mischung daraus.
Überrascht, weil Informatik damals noch nicht so beliebt war, und sich einfach wenige Leute für dieses Studium entschieden.
Besorgt, weil es damals noch wenige Frauen in der Informatik gab. Obwohl meine Mutter selber Ingenieurin ist, machte sie sich Sorgen, ob ich es als Frau in der Informatik schaffen könnte.
Beeindruckt, weil viele Leute (auch jetzt immer noch) denken, dass man ein Genie sein muss, um Informatik zu studieren. Das ist natürlich nicht wahr!

Wie empfindest du die Position der Frau in der Informatik?
Wir sind leider immer noch viel zu wenige. Dabei ist es so wichtig, dass alle Bereiche unserer Gesellschaft divers aufgebaut sind. Das bedeutet auch, dass Frauen mit am Tisch sitzen, wenn wichtige Entscheidungen in der Informatik gefällt werden. Nur so können wir uns sicher sein, dass wir wirklich Produkte entwerfen, die allen in unserer Gesellschaft dienen.

Warum braucht es Informatik generell?
Wie der Name schon suggeriert ist Informatik besonders gut darin, eine grosse Anzahl an Informationen zu sammeln und aufzubereiten. In unserer globalisierten Welt brauchen wir diese Fähigkeit, um gut informierte Entscheidungen treffen zu können. Wir wollen verstehen, wann der beste Zeitpunkt ist, um nach Island zu fliegen, welcher neue Müsliriegel auf den Markt gebracht werden soll, und wo wir am besten Solaranlagen bauen sollten. Informatik alleine reicht natürlich
nicht, aber ohne Informatik können wir diese Fragen nur langsam, unpräzise, oder sogar gar nicht beantworten. Ausserdem ist es ohne Informatik quasi unmöglich, dieses Wissen allen Leuten auf der
Welt zugänglich zu machen.

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